„Oh Tannenbaum“ – und nach Weihnachten auf den Müll

Weihnachten ist vorbei. Der Braten hat sich an den Hüften angesetzt, die Geschenke sind im Schrank verstaut und auch der Tannenbaum musste das Wohnzimmer wieder verlassen. Und das nach oft nur wenigen Tagen Dienstzeit. Klar, einen Christbaum zu haben ist Tradition, doch was hinter den mehr als 28 Millionen Tannen steckt, die auch dieses Jahr wieder allein in Deutschland aufgestellt wurden, wissen die Wenigsten.

20150108_115950Jeder kennt das Bild: ausgediente Tannenbäume stapeln sich auf dem Marktplatz, vor einer Schule oder einfach an der nächsten Straßenecke. Viele Städte und Gemeinden errichten in den ersten Januarwochen solche Sammelstellen, an denen Bewohner die ausrangierten Bäume kostenlos abgeben können. Nimmt man dieses Angebot der Stadt an, kann man sich sicher sein, dass der Weihnachtsbaum auch nach dem Fest sinnvoll genutzt wird. Was genau mit den ausgedienten Tannen passiert, richtet sich nach dem aktuellen Bedarf. Teilweise werden sie kompostiert, teilweise dienen sie als Mulch der Unkrautbekämpfung. Außerdem verbrennt ein Großteil der Bäume zerkleinert in Bioheizkraftwerken und erzeugt so elektrische Energie und Fernwärme. Die Agentur für Erneuerbare Energien aus Berlin hat berechnet, dass auf diese Weise 500 Weihnachtsbäume einen Durchschnittshaushalt ein Jahr mit Strom versorgen könnten. Wichtig dabei ist, dass die Christbäume vollständig abgeschmückt sind. Sollte sich keine Sammelstelle in der näheren Umgebung befinden, können die Tannen auch an Recyclinghöfen abgeben werden. Nicht erlaubt ist das Entsorgen der Bäume mit dem Biomüll, da dieser in die Vergärungsanlage kommt, die Holz nicht zersetzen kann.

Aber auch vor dem Weihnachtsfest gilt es einiges zu beachten, denn „von drauß‘ vom Walde komm ich her“ trifft heute auf die wenigsten Christbäume zu. Mehr als 80 % der deutschen Tannen stammen von großflächigen Plantagen, die auch der Gesetzgeber seit 1987 nicht als Wald sondern als sogenannte Sonderkulturen einstuft. Hier reihen sich auf einer Gesamtanbaufläche von 50.000 ha Nordmanntanne an Nordmanntanne und Blaufichte an Blaufichte. Ihre gleichmäßige Wuchsform, hohe Nadelfestigkeit und ihr aromatischer Waldgeruch machen sie zu den beliebtesten Weihnachtsbäumen der Deutschen. Unter Umweltgesichtspunkten ist der Anbau von Nordmanntanne und Blaufichte jedoch nicht zu empfehlen. Die aus dem Kaukasus und den Rocky Mountains stammenden Baumarten sind für die heimische Insekten- und Vogelwelt uninteressant, sodass keine natürliche Schädlingsbekämpfung stattfinden kann. Als Alternative greifen die Betreiber der Monokulturen zu Pflanzenschutzmitteln, die jedoch auch den nützlichen Bodenbewuchs vernichten. Um ein schnelles Wachstum und die richtige Farbe zu garantieren, werden die Bäume zudem stark gedüngt. Der Einsatz dieser Chemikalien belastet nicht nur Flora und Fauna sondern auch den Menschen. So kann der geliebte Christbaum nicht nur für Allergiker oder Asthmatiker zum Problem werden, sondern auch bei gesunden Menschen Reizungen von Augen, Haut, Schleimhäuten und Atemwegen auslösen.

Wer sich und die Natur schützen möchte, sollte also lieber um Baumarkt und Straßenverkaufsstelle einen Bogen machen. Alternativen zum konventionellen Modell gibt es viele:

Bio-Anbau: Soll der Weihnachtsbaum frei von Pflanzenschutz- und Düngemitteln sein, bietet sich der Kauf eines Baums aus ökologischem Anbau an. Grasende Schafe befreien die Plantagen von Unkraut und sorgen mit ihren Exkrementen gleichzeitig für eine natürliche Düngung der Pflanzen. Ohne den Einsatz von Pestiziden können nützliche Insekten überleben, die die Bäume vor Schädlingsbefall schützen. Die Waldschutzorganisation Robin Wood führt ein Verzeichnis deutscher Produzenten, deren Bäume mit Bio-, Bioland-, Naturland-, Demeter- oder FSC-Siegel ausgezeichnet sind. In Deutschland tragen jedoch nur fünf Prozent der jährlich verkauften Christbäume ein Bio-Siegel.

Baum aus der Region: Auch wenn mit 70 % der Großteil der verkauften Tannen im Inland produziert werden, importiert Deutschland immer noch eine Vielzahl von Bäumen aus dem Ausland. Um Transportwege zu verkürzen, sollte man beim Kauf also unbedingt auf die Herkunft des Baumes achten. Zu bevorzugen sind Pflanzen aus regionaler Forstwirtschaft, die im Rahmen der regulären Waldpflege ohnehin gefällt wurden oder von sogenannten Sonderflächen (zum Beispiel Strom- oder Leitungstrassen) stammen. Diese bieten auch den Vorteil, dass sie nicht in Flächenkonkurrenz zur Lebensmittelproduktion stehen. Denn viele Christbaummonokulturen befinden sich heute auf klassischen landwirtschaftlichen Produktionsflächen, auf denen auch Obst, Gemüse oder Getreide wachsen könnten.

Heimische Arten: Anstelle von Nordmanntanne und Blaufichte können auch einheimische Nadelbäume als Weihnachtsbaum dienen. Zum Beispiel werden beim Durchforsten von Wäldern immer wieder Rotfichten gefällt und anschließend als Christbäume verkauft. Auch die Kronen sehr großer Bäume können einen schönen Weihnachtsbaum darstellen. Der Verzicht auf die Trendbäume macht sich auch im Portemonnaie bemerkbar: 2014 haben Nordmanntannen zwischen 16 und 22 Euro pro laufendem Meter und Blaufichten durchschnittlich 12 Euro je Meter gekostet. Rotfichten konnten schon ab sieben Euro je Meter erstanden werden. Die Nachfrage beim Förster lohnt sich also.

Baum mit Wurzeln kaufen: Um zu verhindern, dass der aufwändig großgezogene Weihnachtsbaum nach dem Fest auf dem Müll landet, kann die Tanne samt Wurzeln im Topf gekauft und im Januar wieder in die Natur ausgesetzt werden. Das klappt allerdings nicht immer. Ein Grund ist, dass viele Plantagenbesitzer die Pflanzen erst kurz vor Weihnachten aus der Erde ausstechen und in den Topf setzen, was zu starken Schädigungen der Wurzeln führt. Besonders tiefwurzelnde Arten wie die Nordmanntanne verkraften dann das Wiedereinsetzten im Freien oft nicht, Flachwurzler wie die Blaufichte haben höhere Überlebenschancen. Im besten Fall wurde der Baum direkt im Topf gezogen, was jedoch weit aufwändiger und damit auch kostenintensiver ist. In jedem Fall muss man den Tannenbaum über Weihnachten ausreichend gießen und sollte ihn nicht direkt an die Heizung stellen. Vor dem Auspflanzen sollte der Weihnachtsbaum zudem einige Tage an einem kühlen Ort mit geöffnetem Fenster verbringen, damit er beim Aussetzen keinem Temperaturstress unterliegt. Und natürlich muss der Käufer auch bei Topfbäumen auf die Herkunft achten, da sie ebenso wie geschlagene Christbäume aus nicht nachhaltigem Anbau stammen und bereits viele Kilometer gereist sein können.

Baumverleih: Ein neuerer Trend ist das Leasing von Weihnachtsbäumen im Topf. Zum Beispiel das Start-Up HappyTree bietet in Düsseldorf und Köln Weihnachtsbäume zum Leihen an. Die verliehenen Bäume sind bio und ihr Saatgut stammt aus dem georgischen FairTree-Projekt, das Saatpflückern faire Löhne garantieren soll. Außerdem bringt HappyTree die Tannen zum Kunden nach Hause und holt sie dort auch wieder ab, ein Service der nicht ganz billig ist. Eine Nordmanntanne kostet je nach Größe zwischen 65 und 78 Euro. Fraglich bleibt auch, ob die Bäume den Weihnachtsstress gut überstehen und tatsächlich wieder ins Freie gesetzt werden können.

Kunsttanne: Es scheint paradox, aber eine Kunsttanne kann unter Umständen eine bessere Ökobilanz haben als ihre Kollegen aus dem Wald. Ob der Kunstbaum die nachhaltigere Lösung ist, hängt zum einen von der Zeit ab, die man die Tanne nutzt. Bei einer großen Kunsttanne dauert es 10 bis 15 Jahre bis sie dem natürlichen Baum gegenüber vorteilhaft ist, bei einer kleinen weit kürzer. Zudem spielt das Material des Baumes eine erhebliche Rolle. Viele Plastikbäume werden unter menschenunwürdigen und umweltschädigenden Bedingungen in Billiglohnländern wie China hergestellt. Aber es gibt auch nachhaltigere Alternativen wie beispielsweise Kunsttannen aus Holz oder recyceltem Kunststoff und auch ein Second-Hand erworbener Plastikbaum kann die Ökobilanz des Weihnachtsfestes sehr verbessern.

Natürlich kann man die Gewissensfrage „Baum oder keinen Baum?“ auch gleich mit „keinen Baum“ beantworten. Das wäre die nachhaltigste Variante. Auf weihnachtliche Atmosphäre muss man aber trotzdem nicht verzichten, denn auch Ficus, Gummibaum und co lassen sich in Christbäume verwandeln. Oder die beim Waldspaziergang gesammelten Tannenzweige werden in die Vase gestellt und schön dekoriert. Dann muss man sich im neuen Jahr auch keine Gedanken darüber machen, was mit dem alten Tannenbaum nun passiert.

Katharina Knapp

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