Lastenrad fahren für alle Oldenburger – Geht das?

Ein Rädchen für alle(s): Seit November 2014 können in Oldenburg dank der Initiative eines Vereins Lastenräder gegen eine Spende ausgeliehen werden. Der Anfang ist gemacht und das Angebot soll noch größer werden. Kommt das Gemeingut an? Ein Kurzvideo erklärt die Idee.

…und was haben Lastenräder mit Keramik und Outdoor-Bekleidung zu tun? Frauke und Jonas von fraukeramik und NatureBase wissen es: In ihrem gemeinsamen Geschäft im Ziegelhofviertel in Oldenburg töpfern und schneidern sie an ihren handgefertigten Einzelstücken, während draußen vor der Ladentür ein Lastenrad auf interessierte Fahrer wartete. In einem kurzen Interview erzählen sie, warum sie sich spontan entschlossen haben, im vergangenen Jahr für einen Monat als Ausleihstation für das City Modell „Jaguar“ zu dienen. Wie sie mit dem Verleih des Lastenrades den Verein „Rädchen für alle(s)“ unterstützen, erfahrt ihr in diesem Interview.

Rädchen für alle(s) – Lösung für alle(s)?

Ein Kommentar

Klimafreundlichkeit und alternative Mobilität – Begriffe, die gerne mit der Idee der Lastenräder verbunden werden. Transporträder mit zwei oder drei Rädern, die Kinder, Bierkästen und Waschmaschinen tragen, können vor allem innerstädtischen Verkehr schneller, günstiger und umweltfreundlicher gestalten. Dennoch haben sich die Lastenräder noch längst nicht in der vermeintlich nachhaltigen Oldenburger Verkehrskultur etabliert.

Tatsächlich haben Lastenräder in Städten wie Oldenburg das Potential, viele Fahrten auf kurzen Strecken CO2-frei zu übernehmen. Das gilt nicht nur für Privatpersonen und ihre Umzüge oder Fahrten zum Supermarkt und Kindergarten, sondern vor allem im Wirtschaftsverkehr. Während die Deutsche Post schon täglich bereits 17.000 Lastenräder im Briefzustelldienst einsetzt, liebäugeln Eis- und Kaffeeverkäufer mit ihrer Nutzung als Verkaufsstand und Werbeträger. Vor allem aber die Idee, die teuersten, ineffizientesten und umweltschädlichsten Transportwege in Kernstädten durch Lastenradtransporte zu vermeiden, ist aus vielerlei Hinsicht attraktiv. Dass dies möglich ist, haben bereits Projekte wie „Ich ersetze ein Auto“ vom Institut für Verkehrsforschung und das EU-gestützte Projekt Cyclelogistics gezeigt. Letztere Studie kam zu dem Ergebnis, dass in einer durchschnittlichen europäischen Stadt die Hälfte aller motorisierten Fahrten, bei denen Waren transportiert werden, von Lastenrädern ausgeführt werden könnten. Schade eigentlich, dass überzeugte Autofahrer diese Zahlen scheinbar noch immer konsequent ignorieren.

Die Trägheit, unsere schwerste Last

Der Einzug der praktischen Räder in die Innenstadt vor allem für die private Nutzung lässt also noch immer auf sich warten, nicht zuletzt aufgrund der sturen, Automobil-verliebten Mobilitätsmentalität deutscher Bürger. Für Fahrradkuriere ist der Umstieg auf Lastenräder keine große Umstellung, die haben die Vorteile schon längst für sich entdeckt. Privatpersonen aber sind so sehr an ihr Auto gewöhnt, dass sie es sich nicht trauen, ihr alltägliches, oft über Jahre hinweg liebgewonnenes Fortbewegungsmittel zu wechseln. Selbst kleine Lasten wie zum Beispiel Blumensträuße, Ordner oder Kartons, werden immer noch unnötigerweise ins Auto verladen, einfach, weil es möglich ist. Dabei könnten 17 % der privaten Fahrten mit Transportgütern von Lastenrädern ausgeführt werden, wie die EU-Studie Cyclelogistics zeigt. Bekanntermaßen aber ist der Mensch ein Gewohnheitstier und die Flexibilität im Mobilitätsverhalten scheitert am Phlegma der Stadtbewohner. Oder sind Lastenräder einfach nicht statusfördernd genug?

Hinzu kommt, dass die Vorteile des Lastenrads vor allem zu wenig bekannt sind. Der Verein „Rädchen für alle(s)“ in Oldenburg bietet deshalb seit November 2014 den auf Spenden basierten Verleih von zwei Lastenrädern an und will den Anstoß dafür geben, dass Lasten endlich auf die Räder kommen. Neben solch gut gemeinten Ideen bietet der Sektor aber durchaus auch lukrative Geschäftsmodelle: Die Vielzahl an Modellen, die es bereits auf dem Markt gibt, verspricht Einsatzstärken in verschiedensten Bereichen – nur wissen das noch die Wenigsten.

Wie wäre es also mit kreativen Imagefilmen, Marketingkampagnen und mehr Öffentlichkeitsarbeit, um die Aufmerksamkeit potentieller Nutzer zu wecken? Denn scheinbar müssen vielen Interessenten neue Transportmittel erst auf dem Silbertablett serviert bekommen, wenn spendenbasierte, sorgfältig durchdachte Angebote nicht attraktiv genug sind. Leider fehlt es dazu aber an groß angelegter, öffentlicher und auch privatwirtschaftlicher Förderung. Denkbar wäre hier eine sowohl finanzielle als auch ideelle Förderung von Verleih-Organisationen, Letzteres zum Beispiel durch Vernetzung und Erfahrungsaustausch mit ähnlichen Projekten oder Unternehmen in anderen Städten. Dass die Nachfrage bislang eher gering ist, kann keine Ausrede seitens der Politik sein, schließlich haben sich die Räder in einigen Städten bereits erfolgreich durchgesetzt. Solange aber keine verstärkten Anreize gesetzt werden, bleiben die Skeptiker weiterhin an ihrem Auto hängen.

Auf dem Rad gilt: Zur Seite und nach vorne schauen

Der Blick zu unseren Nachbarländern Holland und Dänemark zeigt, dass dort das Radfahren mit schweren Lasten auch bei Wind und Wetter schon seit langer Zeit Priorität hat. In Kopenhagen entwickelte ein Bestattungsunternehmen vergangenes Jahr sogar ein Lastenrad für den Leichentransport; ein Angebot, von dem die Deutschen, geschweige denn Oldenburg, noch weit entfernt sind. Gefragt sind in Zukunft dagegen Ideen, die schon Interessierte dazu motivieren, Angebote wie in Oldenburg zumindest auszuprobieren oder sogar über eine private Anschaffung nachzudenken. Mit einem Verleih kann zumindest am Anfang getestet werden, ob es in einer Stadt wie Oldenburg das Potential gibt für den zukunftsorientierten und breitentauglichen Einsatz von Lastenrädern.

Bei zwei Leihrädern für 160.000 Einwohner darf es aber nicht bleiben: Als Voraussetzung für die Verbreitung der Lastenräder als alternatives Transportmittel in Städten müssen langfristig wirksamere Maßnahmen umgesetzt werden. Besonders die Städte, die sich eine nachhaltige Stadtentwicklung oft schon längst auf die Fahne geschrieben haben, sind als Erste gefragt und müssen Initiative ergreifen.

Schließlich muss sich aber jeder Bürger an die eigene Nase fassen und erkennen, dass Lastenräder eine sinnvolle und abwechslungsreiche Alternative zum Automobil sind. Ob die Oldenburger mit ihren Waschmaschinen auch bei Regenwetter über Kopfsteinpflaster fahren würden, bleibt zwar anzuzweifeln, einen Versuch wäre es aber wert. Zumindest ließe sich bei unseren holländischen und dänischen Nachbarn ein wenig Eindruck schinden.

Pia Dewitz

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